Vegane Gastronomie jenseits von ‚Plant-Based‘: Neue Trends, neue Zielgruppen, neue Chancen
DISH
August 2025
Vegan bedeutet längst mehr als Tofu, Sojamilch und Fleischersatz. Und auch der Begriff „plant-based“ reicht nicht mehr aus, um zu beschreiben, was sich derzeit in Supermarktregalen, Restaurantküchen und auf den Tellern tut. Die vegane Ernährung hat sich weiterentwickelt – in ihrer Vielfalt, ihrer Zielgruppe und ihren Zielen.
Statt sich nur auf Ersatzprodukte zu konzentrieren, geht der Trend in viele Richtungen gleichzeitig: Natürlichkeit, Regionalität, Nachhaltigkeit, Genuss. Für die Gastronomie entsteht dadurch ein wachsender Markt mit neuen Chancen – jenseits klassischer Veganerinnen und Veganer.
Dieser Artikel zeigt, was sich verändert hat, welche Trends gerade besonders wichtig sind – und wie sich Betriebe jetzt clever aufstellen können, um von der neuen veganen Vielfalt zu profitieren.
Was bedeutet eigentlich „jenseits von plant-based“?
Der Begriff „plant-based“ ist in den letzten Jahren fast schon inflationär verwendet worden – auf Verpackungen, in Restaurantmenüs, auf Social Media. Aber was genau meint er eigentlich? Und warum reicht er nicht mehr aus, um die Vielfalt der veganen Ernährung heute zu beschreiben?
Plant-based ist nicht gleich vegan
Ursprünglich beschreibt „plant-based“ eine pflanzenbasierte Ernährung – also ein Speiseplan, der vor allem auf pflanzliche Zutaten setzt, aber nicht zwingend komplett tierfrei ist. Viele Produkte mit diesem Label enthalten zum Beispiel Honig, Gelatine oder Milchbestandteile in Kleinstmengen. „Vegan“ dagegen bedeutet streng genommen: komplett ohne tierische Bestandteile – auch bei der Herstellung, Verarbeitung und Verpackung.
Parallel zum „plant-based“-Boom haben sich weitere Konzepte herausgebildet, die differenzierter mit pflanzlicher Ernährung umgehen. Begriffe wie „whole-food vegan“ (vollwertig vegan, ohne stark verarbeitete Ersatzprodukte), „raw vegan“ (rohköstlich, nicht erhitzt) oder „functional vegan“ (mit Fokus auf Nährstoffversorgung und Leistungsfähigkeit) zeigen: Es gibt nicht die eine vegane Zielgruppe.
Was „jenseits von plant-based“ heißt
Wer über den Begriff „plant-based“ hinausdenkt, erkennt: Es geht nicht nur um den Verzicht auf Fleisch, sondern um ein ganzheitliches Verständnis von Ernährung, Herkunft, Verarbeitung und Genuss. Die Nachfrage richtet sich zunehmend auf Qualität, Transparenz und kulinarische Erlebnisse – nicht nur auf das „frei von“.
Aktuelle Trends in der veganen Ernährung
Vegane Ernährung ist also kein starrer Ernährungsstil mehr, sondern ein dynamisches Feld voller Innovationen und Geschmacksrichtungen. Wer heute vegan isst, erwartet mehr als „ohne Fleisch“. Es geht um neue Zutaten, überraschende Techniken und authentischen Genuss. Hier sind einige Trends, die gerade besonders herausstechen:
Fermentiertes liegt im Trend
Cashew-Camembert mit Edelschimmel, vegane Salami mit Reifeschicht, Tempeh aus Lupinen oder Erbsen – fermentierte Produkte bringen nicht nur Geschmackstiefe, sondern auch Handwerklichkeit und Reife in die vegane Küche. Das spricht nicht nur Veganerinnen und Veganer an, sondern auch Feinschmecker, die Wert auf Qualität legen.
„New Meat“: Fleischersatz neu gedacht
Neben klassischen Soja- oder Erbsenprodukten entstehen neue Wege, fleischähnliche Strukturen zu erzeugen – zum Beispiel durch mikrobiell fermentierte Proteine, Zellkulturen oder 3D-Druck. Ziel ist es, Geschmack, Textur und Optik noch näher an tierische Produkte zu bringen – ohne Tierleid und mit weniger ökologischer Belastung. Besonders spannend für die Gastronomie: Diese Produkte sprechen auch Menschen an, die bewusst weniger Fleisch essen, aber den Geschmack nicht missen wollen.
Regionale vegane Küche
Statt internationaler Bowls und Superfoods rückt die regionale Gemüseküche wieder stärker in den Fokus: Altes Gemüse neu interpretiert, wie zum Beispiel Schwarzwurzel-Bolognese, Sellerieschnitzel oder Mairübchen-Tatar. Das bringt Authentizität auf den Teller – und passt ideal zu Nachhaltigkeitskonzepten in der Gastronomie.
Vegane Haute Cuisine
Immer mehr Spitzenköchinnen und Spitzenköche zeigen, dass vegane Küche längst in der Fine-Dining-Welt angekommen ist. Statt Ersatzprodukten geht es um kreative Gemüseküche auf höchstem Niveau – mit Techniken wie Räuchern, Reduzieren, Fermentieren oder Sous-vide. Wer hier mitzieht, positioniert sich als innovativer Betrieb mit Zukunftsdenken.
Clean & Short: weniger ist mehr
Ein wachsender Teil der Gäste achtet nicht nur auf „vegan“, sondern auch auf saubere Zutatenlisten. Produkte mit zehn Zusatzstoffen verlieren an Attraktivität. Stattdessen gefragt: klare Rezepte, möglichst wenig verarbeitet, nachvollziehbar hergestellt. Das bringt auch kleinere Manufakturen und Restaurants mit eigener Handschrift ins Spiel.
Neue Zielgruppen im Blick
Vegane Ernährung ist längst kein Thema mehr nur für überzeugte Tierschützer oder ernährungsbewusste junge Städter. Die Zielgruppen haben sich in den letzten Jahren stark erweitert – und genau darin liegt eine große Chance für die Gastronomie.
Flexitarier als Wachstumstreiber
Die größte Gruppe unter den veganen Konsumentinnen und Konsumenten sind längst nicht mehr Menschen, die sich ausschließlich vegan ernähren, sondern sogenannte Flexitarier. Sie essen bewusst weniger tierische Produkte – aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen – und freuen sich über attraktive pflanzliche Alternativen, besonders wenn sie geschmacklich überzeugen.
Vegane Ernährung für Männer und ältere Generationen
Was früher als „Verzichtsernährung“ belächelt wurde, hat sich gewandelt. Männer interessieren sich zunehmend für pflanzliche Ernährung – auch durch Fitness-Influencer, Sportstudien oder dokumentierte Gesundheitsvorteile. Gleichzeitig entdecken auch ältere Menschen vegane Produkte für sich – etwa, weil sie leichter verdaulich sind oder als cholesterinarm gelten.
Gesundheitsbewusste & Sporttreibende
Proteinreiche pflanzliche Lebensmittel, funktionale Zutaten (z. B. Omega-3-haltige Öle, pflanzliches Kollagen), vegane Snacks für unterwegs – viele Produkte richten sich heute an Menschen mit aktivem Lebensstil. In diesem Segment ist die Nachfrage groß, und die Zahlungsbereitschaft oft höher als bei klassischen Ersatzprodukten.
Religiöse und kulturelle Gruppen
Auch Religion und Kultur spielen eine wachsende Rolle. In einigen Glaubensrichtungen (z. B. im Buddhismus oder Hinduismus) ist eine vegane Ernährung selbstverständlich oder wird bewusst gefördert. Gleichzeitig gibt es eine wachsende Community muslimischer Konsumentinnen und Konsumenten, die pflanzliche Produkte als halal-konforme Alternative nutzen.
Neue Chancen nutzen
Vegane Produkte sind in den letzten Jahren ein Wachstumsfeld geworden. Wer heute clever agiert, kann sich frühzeitig in einem Markt positionieren, der nicht nur größer, sondern auch differenzierter wird. Dabei geht es nicht um Verzicht, sondern um Vielfalt, Qualität und neue Erlebnisse.
Vielfalt statt Verzicht – und genau das kommunizieren
Die wichtigste Chance liegt im Perspektivwechsel: Statt vegan als Einschränkung zu präsentieren, lohnt es sich, auf Genuss, Auswahl und Innovation zu setzen. Gäste und Kunden wollen heute kein Ersatzprodukt, das sie „überzeugen muss“, sondern ein eigenständiges Angebot, das schmeckt und sich gut anfühlt – ob Frühstücks-Smoothie, vegane Tapas oder pflanzlicher Business-Lunch.
Premium-Potenzial erkennen
Vegane Produkte sind kein Billigsegment – im Gegenteil: Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, für Geschmack, Nachhaltigkeit oder Gesundheit mehr zu zahlen. Das eröffnet Spielräume für hochwertige Gastronomiekonzepte, Spezialsortimente im Handel oder Premium-Eigenmarken – und erweist sich als hervorragender Ansatz, den Umsatz zu steigern. Wichtig ist nur: Qualität muss erkennbar sein – durch Zutaten, Handwerk und Storytelling.
Wertschöpfung vor Ort nutzen
Gerade die Kombination aus veganer Küche und regionaler Herkunft kommt gut an – beim Gast wie beim Gewissen. Wer lokale Produzentinnen und Produzenten einbindet, stärkt nicht nur das eigene Profil, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Angebots. Restaurants, Cafés oder Feinkostläden können so ein klares Statement setzen – auch gegen die Austauschbarkeit industrieller Ersatzprodukte.
Innovation auf allen Ebenen
Vegane Küche ist ein Testfeld für Neues: neue Zutaten, neue Zubereitungen, neue Geschäftsmodelle. Vom rein pflanzlichen Catering über eine pflanzenbasierte Wochenkarte bis hin zum veganen Event-Dinner – wer Ideen hat und sie umsetzt, hebt sich sichtbar vom Wettbewerb ab.
Vegane Hotels – mehr als nur Sojamilch zum Frühstück
Vegane Ernährung hört nicht bei der Speisekarte auf – auch in der Hotellerie wächst das Interesse an konsequent pflanzlichen Konzepten. Immer mehr Häuser und Ferienanlagen setzen auf rein vegane Angebote (oder integrieren zumindest bewusst pflanzliche Speisen in ihre Küche).
Was vegane Hotels auszeichnet:
- 100 % pflanzliche Küche: vom Frühstücksbuffet bis zum Abendmenü
- Tierfreie Ausstattung: keine Daunendecken, Lederstühle oder Kosmetik mit tierischen Bestandteilen
- Ganzheitliches Konzept: Nachhaltigkeit, Regionalität, Zero Waste und oft auch Bio-Standards
Vegane Hotels sprechen nicht nur überzeugte Veganerinnen und Veganer an – sondern auch umweltbewusste Reisende, Allergiker, Flexitarier und junge Zielgruppen. Wer in diesem Bereich früh präsent ist, schafft sich ein starkes Alleinstellungsmerkmal im wachstumsstarken Segment „Green Travel“.
Herausforderungen und Kritikpunkte
So groß die Chancen in der veganen Gastronomie auch sind – sie kommen nicht ohne Stolpersteine. Wer sich in diesem Bereich positionieren will, sollte die häufigsten Fallstricke kennen – und bewusst mit ihnen umgehen.
Verarbeitete Produkte: Zu viel Technik, zu wenig Küche?
Ein häufiger Kritikpunkt an veganen Gerichten sind stark verarbeitete Ersatzprodukte mit langen Zutatenlisten. Gerade bei Gästen, die bewusst vegan essen, stößt das auf Skepsis. Wenn ein pflanzlicher Burger mehr Zusatzstoffe enthält als sein fleischhaltiges Pendant, entsteht schnell der Eindruck: künstlich, unausgewogen, unauthentisch.
Für Küchenbetriebe heißt das: Weniger ist oft mehr. Gerichte auf Basis frischer, nachvollziehbarer Zutaten werden zunehmend geschätzt – auch wenn sie einfacher sind. Wer auf industrielle Produkte setzt, sollte dies bewusst tun und offen kommunizieren, warum.
Preiswahrnehmung: vegan = teuer?
Vegane Küche hat den Ruf, hochwertig – aber auch kostspielig zu sein. Für manche Gäste ist das nachvollziehbar, für andere ein Hindernis. Gerade, wenn vegane Gerichte im Menüpreis deutlich über vergleichbaren Speisen liegen, ist die Kritik schnell da: „Wieso kostet das mehr, wenn kein Fleisch drin ist?“
Entscheidend ist hier die Vermittlung des Werts: Regionalität, Handwerk, Bio-Qualität, Frische oder Aufwand müssen sichtbar gemacht werden – am besten bereits auf der Karte. Ein klarer Preis ohne versteckten Aufpreis für „Vegan“ schafft Transparenz und Fairness.
Rohstoffverfügbarkeit und saisonale Lücken
Wer auf regionale und saisonale Zutaten setzt, hat nicht immer alles verfügbar – und braucht Flexibilität in der Karte. Wintergemüse, Hülsenfrüchte, Konserven und kreative Fermentationsmethoden können helfen, diese Lücken zu überbrücken. Gäste akzeptieren saisonale Einschränkungen eher, wenn sie als Konzept erkennbar sind – und nicht als Mangel.
Erwartungshaltung: Wie „ersatzlos“ darf es sein?
Nicht jeder Gast will veganes Essen, das genauso schmeckt wie Fleisch. Aber auch nicht jeder ist bereit für Sellerie im Hauptgang. Die Herausforderung liegt darin, Gerichte zu entwickeln, die für sich stehen – statt nur als Verzicht auf Bekanntes zu funktionieren. Authentische vegane Küche braucht keine Fleischkopien – sondern eigenständige Ideen mit Geschmack, Haltung und Textur.
Fazit: Vegane Vielfalt als Zukunftsthema
Vegane Küche ist heute weit mehr als ein Ernährungstrend. Sie ist Ausdruck eines veränderten Lebensstils, einer wachsenden Zielgruppe – und einer Gastronomie, die bereit ist, neu zu denken. Wer sich jenseits von „plant-based“ mit veganer Vielfalt beschäftigt, erkennt schnell: Hier geht es nicht nur um Ersatzprodukte, sondern um neue kulinarische Wege, neue Gäste und neue Chancen.
Entscheidend ist, wie man das Thema angeht: mit Klarheit, Qualität und einer Haltung, die zum eigenen Betrieb passt. Ob Fine Dining, Café, Kantine oder Bistro – vegane Angebote müssen nicht auffällig inszeniert sein, aber sie sollten gut durchdacht und konsequent umgesetzt werden.